DIE FRAGE NACH DEM WARUM
Ultra-Cycling-Star Christoph Strasser bloggt hier auf SPORTS AFFAIRS. Dabei schreibt er über das Race Across America (RAAM) und die damit verbundenen Herausforderungen, und über neue Projekte. Über sein Leben also.
(c) Manuel Hausdorfer/limeART
Auch in diesem Jahr stellt das Race Across America, kurz RAAM, meinen Saison-Höhepunkt dar, ich werde das knapp 5000 Kilometer lange Nonstop-Radrennen zum bereits achten Mal in Angriff nehmen und stecke momentan mitten in den intensiven Vorbereitungen. Den Tag des Starts in exakt 15 Wochen, den 12.6.2018, sehne ich schon herbei, und doch erfüllt mich die schnell vergehende Zeit mit größter Demut, denn auch trotz der Erfahrung, meiner eigenen und jener meiner Betreuer, ist die Teilnahme immer wieder ein unglaublicher Aufwand.
Ich werde oft gefragt, was denn das RAAM ausmacht, warum ich immer wieder teilnehme und mich dort so quäle, wo es doch kein Preisgeld gibt und die Strapazen enorm sind. Meine Motivation ist ganz einfach die Begeisterung, der Spaß an der Herausforderung, die Freude an der Weiterentwicklung, die man selbst dabei durchlebt. Die Vorbereitung ist wie ein Puzzle, und es ist schön, Teil für Teil ineinander zu fügen. Wenn man dann im Ziel angekommen ist, verblasst die Freude recht schnell, gleich wie bei einem fertigen Puzzle, das dann an der Wand hängt und verstaubt. Der Weg ist das Ziel, und es ist der Prozess des Schaffens, der einen erfüllt.
Allerdings ist meine Motivation für besonders dieses Jahr ganz leicht zu erklären: Gelänge es mir, zum fünften Mal das RAAM zu gewinnen, würde ich mit Jure Robic, dem Rekordsieger aus Slowenien, gleichziehen. Die Möglichkeit, mit dem ehemaligen (und leider verstorbenen) Superstars des längsten Nonstop-Radrennens der Welt gleichauf zu sein, ist natürlich verlockend.
Doch geht es im Sport tatsächlich immer nur um Rekorde und Erfolg?
Schlicht und einfach gesagt – nur auf dem Papier. Es macht sich gut, der erfolgreichste oder beste Sportler einer Disziplin zu sein. Diesen Fakt wird auch kein anderer Sportler selbst jemals verneinen. Doch mir persönlich geht es vorrangig nicht um Rekorde. Sie sind mir ehrlich gesagt nicht wirklich wichtig. Aber natürlich möchte ich, wenn möglich, das Rennen gewinnen. Dabei ist ein RAAM-Sieg für mich keinesfalls eine Ego-Geschichte. Dieses Rennen entfacht in mir nach wie vor ein Feuer und den Willen, noch härter an mir zu arbeiten, mich noch immer zu verbessern und aus meinen Fehlern der vergangenen Jahre zu lernen. Wenn dieser Wille und die harte Arbeit dann mit einem Sieg belohnt werden, umso schöner. Aber: Die Freude über einen Sieg verfliegt recht schnell, es bleibt viel mehr die Freude, der Feuereifer und die harte Arbeit, die einen bis dorthin führen.
In meinen frühen Jahren, vor der ersten Teilnahme am RAAM, bei der ich die Ziellinie nicht erreichen konnte, brannte in mir die Frage: „Kann ich das schaffen? Kann ich diese Kombination aus Abenteuer und Rennen bestehen?" Mittlerweile wurde aus diesem Hobby, meiner Leidenschaft, mein Beruf, und hat daher eine ganz andere Bedeutung. Durch die mehrmaligen Teilnahmen entsteht bei vielen Menschen der falsche Gedanke, dass das RAAM für mich an Reiz verliert.
Man darf ein RAAM aber nicht wie eine Besteigung eines Berges betrachten, denn dann würde die Frage kaum zu beantworten sein, warum ich mir dieselben Strapazen immer wieder antue. Das RAAM hat für mich aber auch - ganz einfach gesagt - Wettkampfcharakter. Entscheide ich mich eine weitere Saison als Ultraradfahrer zu bestreiten, dann gibt es eine (überschaubare) Auswahl an verschiedenen Bewerben: vom Race Across Italy über das Race Around Slovenia, den Glocknerman, die Tortour rund um die Schweiz, das Race Across France bis hin zum Race Around Ireland – und natürlich noch viele mehr. Das RAAM hat hierbei den allergrößten Stellenwert und wird daher am meisten beachtet. Ich werde 2018 aber auch am Race Around Austria, genauer gesagt an der „Challenge“, also der mit 560 km kürzeren Variante und an der 24-Stunden-WM in Borrego Springs (Kalifornien) teilnehmen.
Noch ein letzter Gedanke. Die Frage „Warum noch einmal RAAM?“ klingt für mich auch deshalb seltsam, weil man einen Ski-Alpin-Fahrer auch nicht jedes Jahr fragt, warum er schon wieder die Hahnenkamm-Abfahrt in Kitzbühel aufnimmt, auch wenn er sie schon öfters und womöglich erfolgreich bestritten hat...
Lesen Sie morgen, 1.3. – Leidenschaft und Begeisterung
Lesen Sie übermorgen, 2.3. – Geduld und Ausdauer