LEIDENSCHAFT UND BEGEISTERUNG
Ultra-Cycling-Star Christoph Strasser bloggt hier auf SPORTS AFFAIRS. Dabei schreibt er über das Race Across America (RAAM) und die damit verbundenen Herausforderungen, und über neue Projekte. Über sein Leben also.
(c) Manuel Hausdorfer/limeART
Leidenschaft allein reicht nicht aus, um ein RAAM zum achten Mal in Angriff zu nehmen. Sicher, die Leidenschaft für den Sport ist die Grundvoraussetzung und die Basis für einen neuerlichen Start. Bei der Entscheidung für eine erneute RAAM-Kampagne denkt man auch nicht an die möglichen Schmerzen, die auftreten werden, oder welche mentalen Kämpfe man mit sich selbst führen wird. Es stellt sich viel eher die Frage, ob die Motivation für das gesamte Vorhaben nach allen Erfolgen der Vergangenheit noch groß genug ist. Denn der Wettbewerb beginnt nicht an der Startlinie in Oceanside, sondern schon viele Monate davor.
Brenne ich stark genug dafür, um erneut hart und konsequent zu trainieren - im Winter vorrangig am Ergometer für oft bis zu sieben Stunden am Tag, 30 Stunden die Woche, bei diesem Pensum und Level größtenteils alleine? Vorbereitung, Planung und Organisation, die Zeit und Geld verschlingen, sind die wahren Herausforderungen, nicht das Rennen selbst. Die wahre Härte eines RAAM ist jene, jeden Tag aufzustehen und konsequent für sich und sein Ziel zu arbeiten.
Man muss ganz genau wissen, warum man dies erneut machen will. An erster Stelle muss der Spaß an der Bewegung, am Sport, am Training, an der Vorbereitung, am täglichen Tun stehen. Die Freude an seiner Karriere zu arbeiten, „sein Lebenswerk“ zu gestalten und einmal darauf zurückblicken zu können und nicht nur stolz darauf zu sein, was man erreicht hat, sondern dass man vor allem glücklich ist mit dem, was man tut bzw. getan hat.
Im besten Fall hat dies auch weitreichende positive Auswirkungen für mich selbst. Nicht nur, was meinen sportlichen Ehrgeiz und meine Zufriedenheit betrifft, sondern weit darüber hinaus. Ich kann mein Hobby zum Beruf machen, ich kann vom Radfahren meinen Lebensunterhalt bestreiten, ich darf das machen, was ich am liebsten mache und kann in meinen Vorträgen auch noch Menschen inspirieren, an sich und ihren Zielen zu arbeiten.
Aber natürlich habe ich nicht immer zu 100% Spaß, wenn ich im Alltag am Ergometer sitzen muss. Auch ich kämpfe immer wieder mit Motivationslosigkeit und dem inneren Schweinehund. Doch wenn ich diesem in der Vorbereitung trotze, konsequent bin und auch eine gewisse Härte mir selbst gegenüber an den Tag lege, ist meine Ausgangsbasis im Rennen umso günstiger. Denn je besser vorbereitet und fitter ich am Start bin, desto besser werde ich mit den Strapazen und Herausforderungen eines RAAM umgehen können.
Bin ich so fit, dass ich auch im Rennen wirklich Spaß habe, dann wird es mir leichter von der Hand gehen, als wenn ich um jeden Meter kämpfen muss. Je härter ich im Vorfeld trainiere und desto penibler ich mich vorbereite, umso leichter wird es für mich später sein. Bin ich in der Vorbereitungszeit jedoch inkonsequent, kürze Trainings ab und mache es mir angenehmer und leichter, werde ich büßen und leiden müssen - die Schwierigkeiten des Rennens werden mich dann umso mehr fordern.
Das Gesamtkonstrukt muss also passen. Man muss mit Begeisterung bei der Sache sein, man kann nur Dinge gut machen, die man auch gerne tut. Wenn ich jedoch an der Sache selbst zweifle oder ich das Endergebnis als nicht wichtig bewerte, dann werde ich im täglichen Training meine Probleme bekommen.
Je wichtiger mir mein Vorhaben und dessen Gelingen ist, umso weniger leicht werde ich in harten Phasen des Wettbewerbs ans Aufgeben denken oder es tatsächlich bleiben lassen. Wenn der Sport mein Hobby ist und ich im Alltag einem anderen Job nachgehe, dann wird die Hemmschwelle geringer sein, das ganze Vorhaben abzubrechen, wenn es hart wird.
Die Sache sieht dennoch etwas anders aus, wenn mehr an dem Rennen hängt. Wenn mein Lebensunterhalt davon abhängt bzw. mein berufliches Weiterkommen, ist aufzugeben – abgesehen von einem medizinischen Problem - einfach undenkbar. Bleibt das Erfolgserlebnis aus, an dem auch das berufliche Dasein hängt, ist das Drama einer Niederlage noch größer. Das Verarbeiten dieser Niederlage, die depressiven Phasen die man dabei durchlebt, dauern dann vielleicht etwas länger. Wenn es lediglich ein Hobby ist, geht mein (Berufs-)Leben normal weiter.
Wenn es darauf ankommt, wer den Erfolg mehr (als andere) will, wer den Sieg mehr (als andere) will, dann wird sich jener durchsetzen, bei dem es um viel mehr (als bei anderen) geht. Ihm ist viel bewusster (als anderen), welchen Stellenwert der Triumph für ihn hat, wie wichtig ein Erfolg ist und wofür es gut ist.
Leidenschaft und Begeisterung sind somit mein Treibstoff für den Motor, der sich Willenskraft und Konsequenz nennt.
Lesen Sie morgen, 2.3. – Geduld und Ausdauer