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NEUER TRAINER, NEUE MOTIVATION

Ultra-Cycling-Star Christoph Strasser bloggt hier auf SPORTS AFFAIRS. Dabei schreibt er über das Race Across America (RAAM) und die damit verbundenen Herausforderungen, und über neue Projekte. Über sein Leben also.

(c) Manuel Hausdorfer/limeART

In meinen vorherigen Blogbeiträgen habe ich vor allem über Motivation und die Fragen, die man für sich selbst beantworten muss, bevor man sich in ein Abenteuer wie das RAAM stürzt, geschrieben. Neben der zweifellos wichtigen Frage nach dem Warum und der mentalen Vorbereitung wird aber oft vergessen, dass die körperliche Fitness die Basis für eine erfolgreiche sportliche Kampagne ist. Und diese ist mit dem höchsten Aufwand verbunden. Wo es im mentalen Bereich idealerweise mit ein paar wenigen Sitzungen getan sein kann, sind für das Konditionstraining hunderte Stunden im Sattel unumgänglich. Noch besser sind tausend Stunden oder mehr pro Jahr, wenn man eine Ultradistanz wie das RAAM oder das Race Around Austria gut überstehen will.

Wie sieht mein Training nun konkret aus?

Zwischen Mitte Dezember bis Mitte Februar dieses Jahres absolvierte ich alle Einheiten wetterbedingt am Ergometer. Neben Training am Bike machte ich Gymnastik für meinen Oberkörper, auf Krafttraining für die Beine verzichtete ich. Dann folgte ein zweiwöchiges Trainingslager auf Zypern, in dem ich endlich wieder bei warmen Temperaturen draußen trainieren konnte.

Die Wochenstunden variieren, in den letzten drei Monaten waren es immer 25 Stunden, auch in den Regenerationswochen. Im Trainingslager auf Zypern erreichte das Wochenmaß dann 33, in der umfangreichsten Trainingswoche auf Mallorca wurden es exakt 45 Stunden. Auch in den „lockereren“ Wochen bleibt der Umfang hoch, doch die Intensität ist niedriger.

Seit Jahresbeginn steht mir ein neuer Trainer zur Seite, der meine Einheiten umgestellt hat. Das Grundlagentraining ist nun langsamer, dafür die Intervalle noch härter als früher. Mein früherer Trainer verfolgte ein ähnliches Konzept, mit vielen intensiven Sweetspot-Intervallen. Das sind 20 bis 60-minütige Intervalle knapp unter der FTP-Schwelle, der funtkionellen Leistungsschwelle. Die letzten drei Jahre verzichtete ich dann auf einen Trainer und war selbst für meine Trainingspläne zuständig. Nun ist wieder einiges anders, die neuen Pläne motivieren mich sehr und fordern mich auch um einiges mehr als das Selbst-Training der letzten Jahre. Wenn man sich selbst trainiert, wird man zwar nicht nachlässig oder gemütlich, aber die hochintensiven Bereiche vernachlässigt man schon mehr, als ein Trainer dies tut. Wieder eine Betreuung in diesem Bereich zu haben, stellt mich erneut vor die Situation, jemandem gegenüber Rechenschaft schuldig zu sein. Dies ist ein äußerst positiver Aspekt, denn er motiviert mich, und jedes Training wird durchgezogen, auch wenn die Einheiten beinhart und knapp an der „Kotzgrenze“ sind (und ich manche Einheiten sogar kurz unterbrechen musste).

Sich diesen doch strapaziösen Trainings auszusetzen, diese auch durchzuziehen und nicht zu hinterfragen, braucht vor allem Vertrauen zum Trainer. Ich kenne Markus Kinzlbauer schon seit einigen Jahren, er hat mich bereits zwei Mal beim RAAM begleitet und war in Borrego Springs im vorigen Jahr mein Betreuer. Er kennt mich also sehr genau und weiß auch, was er mir im Training zumuten kann. Die Umstellung zeigt bereits Resultate: die 4 mal 16-minütige Maximalbelastung konnte ich schon auf über 400 Watt pro Intervall steigern.

Kontinuität und Abwechslung

Ein wichtiger Aspekt, um im Training Fortschritte erzielen zu können, ist, dieses abwechslungsreich zu gestalten. Es braucht neue Reize, um körperlich noch besser werden zu können, genauso wie es diese neuen Reize auch für die mentale Einstellung braucht. Das ewig gleiche Training ohne Reizsetzung ist nicht nur ineffektiv für den Körper, sondern auch für den Kopf. Die Motivation schrumpft, teils aus Mangel an Verbesserung, teils aus Mangel an Neuem.

Nach dem Trainingslager auf Zypern beschloss ich, zu Ostern noch eine Woche nach Mallorca zu fliegen. Ein Tapetenwechsel schien genau das richtige zu sein. Noch dazu würde ich von Freunden begleitet werden.Die Trainingsmaxime für Mallorca lautete: Umfang, Umfang und nochmals Umfang. Die Trainingsfahrten dauerten also meist über sieben Stunden, dafür war die Intensität bei den meisten Einheiten niedriger. An Tag 1 wurden dann auch Kraftausdauer-Intervalle eingebaut, gefolgt von einer hochintensiven Ausfahrt mit 4x16 Minuten „all-out“, was einfach gesagt so viel bedeutet wie: „Alles rausholen, was über 16 Minuten möglich ist!“

Es folgten weitere lange Ausfahrten, die von einem sehr lockeren Tag unterbrochen wurden, die fünfstündige Ausfahrt diente als Regenerationsfahrt. Den Abschluss bildete schließlich eine Schlüssel-Einheit, die ich einerseits sehr gerne mag, da sie den ersten Stunden eines Rennens gleicht, andererseits flößte sie mir aber auch Respekt ein, da sie sehr fordert. Die Vorgabe von Coach Markus Kinzlbauer lautete, über sieben Stunden alles zu geben, was (konstant) möglich ist. Das Ziel lautete also, mindestens 300 Watt zu fahren. Berge sollten konstant schnell gefahren, Passagen bergab so gut wie (verkehrs- und kurventechnisch) möglich durchgedrückt und Flachstücke mit permanent hohem Druck am Pedal bewältigt werden. Simpel gesagt: ein überlanges Einzelzeitfahren!

Das Fazit der Woche auf Mallorca: 45 Stunden auf dem Rad, 1330 gefahrene Kilometer und 13.000 bezwungene Höhenmeter. Ich bevorzugte die eher flachen Strecken im Süd- und Ostteil der Insel, damit ich konstant unterwegs sein zu konnte. Die meisten Ausfahrten bestritt ich alleine und ohne Windschatten, für die eine oder andere Stunde gab es aber doch Trainingsgemeinschaften. Freund und Trainingskollege Martin Hillbrand, mit dem ich neben weiteren Kollegen vom Verein "SU Tri Styria" gemeinsam auf Mallorca war, sagte über die gemeinsamen Trainings mit einem Augenzwinkern: „Man kommt nicht mit einem Messer zu einer Schießerei!“

Die Form bisher stimmt also, dennoch gilt es weiter zu arbeiten, um beim RAAM bestmöglich vorbereitet an den Start gehen zu können.

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