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Alles bleibt anders

Leben ist Veränderung, und Veränderung ist hauptsächlich positiv oder negativ. Doch für die meisten von uns bleibt in solchen Fällen alles anders, weil Veränderung in einem überschaubaren Rahmen geschieht. Außer, man lebt gerade in der Ukraine.

„Ich müsste in den TV-Bereich hinein, um ein Interview zu geben“, sagt mir der ältere Herr auf der anderen Seite der Barriere an der Wettkampfstätte in Zhangjiakou bei den Olympischen Winterspielen in China. „Sorry, hier ist alles abgesperrt, Sie müssten die ganze Runde machen.“ „Kann ich nicht einfach drüberspringen?“ Das Gitter ist vielleicht, 100 oder 150 cm hoch. Ich lache. „Der Zaun könnte sechs Meter hoch sein, und Sie würden drüberkommen.“ Nun lacht er. „Dann würde ich aber einen Stab benötigen.“ Und springt mit knapp 60 Jahren leichtfüßig auf meine Seite, wie es auch mein 13-jähriger Neffe täte.


Der Mann ist Sergej Bubka, Ukrainer, Olympiasieger 1988 (für die Sowjetunion), erster Mensch, der im Stabhochsprung über sechs Meter kam. Es ist Mittwoch, 16. Februar, die Spannungen in Osteuropa liegen in der Luft doch an einen Krieg denke ich nicht wirklich. Mehr läuft mir die Gänsehaut über den Rücken, neben einem der prominentesten Sportler meiner Jugend zu stehen, fast würde ich ihn um ein Selfie bitten (was ich nicht mache, beruflicher Professionalität zuliebe).


Ein paar Tage später gehen die Spiele zu Ende, bricht ein Krieg aus, übersiedle ich von Peking via Wien nach München zum nächsten Job, bei den bzw. für die European Championships. Von 11. bis 21. August werden in der bayrischen Hauptstadt zeitgleich neun Europameisterschaften ausgetragen, von Leichtathletik über Turnen, Radsport (Straße und Bahn), Rudern und Kanu-Rennsport bis hin zu Triathlon und Tischtennis, Klettern und Beach-Volleyball. Wieder bin ich im Media Operations Management tätig, die Aufgabe ist nur größer als bei den Winterspielen, wo ich an einer einzigen Wettkampfstätte tätig war.


Doch mein Blick geht, wie jener von wohl so vielen anderen, auch auf die politische Lage. Wie wird sich die Situation in der Ukraine weiter entwickeln? Und wie zum Teufel soll es danach – ganz egal, wie dieses danach aussehen wird -, weiter gehen? Ja, ich bin auch für die aktuellen Sanktionen, die einschneidende Maßnahmen im wirtschaftlichen, finanziellen, kulturellen, sportlichen Bereich mit sich ziehen - doch wie lange kann oder muss der russische und weißrussische Sport, deren Verbände, Athleten und Athletinnen, Event-Organisatoren geächtet bleiben? Ich habe keine Antwort drauf und bin irgendwie auch froh, keine haben zu müssen.


Unter der Prämisse, dass da ja noch viel mehr kommen könnte – Stichworte: Nuklearangriff, Dritter Weltkrieg – bräuchten wir uns bei egoth keine große Gedanken um unsere nächsten Titel machen, sondern alles einmal aussitzen. Tun wir nicht. Wir arbeiten an den nächsten Projekten, noch im Frühjahr erscheint ein wunderbares Buch von Deutschlands Ultratrail-Läuferin, Managerin und Speakerin Annabel Müller, „Trail and Error“. Für den Herbst planen wir mit dem einen oder anderen Fußball-Buch und/oder Lizenztitel, und ein sportpolitisches Werk zu einem 50-Jahr-Jubiläum ist auch im Werden. Dieses hat die Hintergründe des Attentats auf israelische Sportler von 1972 während der Olympischen Spiele in München zum Thema, und diese reichen bis in die Nazi-Zeit zurück.

Unsere Bücher werden nicht die Welt verbessern – das muss schon jeder einzelne, jede einzelne mit seinen/ihren eigenen Gedanken, Worten und Taten herbeiführen. Doch sie wollen und können zuweilen einen Beitrag leisten, um Zeitgeschichte aufzuarbeiten und zu verstehen, und sie können Hilfestellungen geben, um einen Blick auf das eigene Tun zu werfen und dieses zu hinterfragen.


Die Biografie von Sergej Bubka würde ich übrigens auch gerne veröffentlichen. Die wäre auch spannend und interessant genug, für viele von uns. Vielleicht liest er ja gerade mit…

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