top of page

DIE HETZJAGD AUF DIE SPIELE 2026 HAT BEGONNEN

Und immer wieder Sind es dieselben Lieder Die sich anfühlen Als würde die Zeit stillstehen

 

Dieser folgende Text ist ein Text gegen den Mainstream, das ist bei mir nichts Neues. Sowohl in Bozen bei der Sonntagszeitung „Zett“, bei den „Salzburger Nachrichten“ und noch mehr als Selbstständiger habe ich regelmäßig versucht, besondere Blickwinkel zu finden, Blickwinkel, die Vorgesetzte und Kollegen immer wieder zum Kopfschütteln oder Haare raufen gebracht haben. Ich mag älter geworden sein, meine Geisteshaltung hat sich nicht verändert. Ich denke nicht nur, sondern lebe „outside the box“.


Im Zhangjiakou Genting Snow Park anlässlich der Olympischen Winterspiele 2022


Und deswegen kann ich nur gelangweilt gähnen, wenn ich den Diskurs rund um die ARD-Dokumentation "Spiel mit den Alpen" mit dem großartigen Felix Neureuther verfolge. Selbstverständlich hat Neureuther in seinen Aussagen Recht. Selbstverständlich thematisiert der deutsche TV-Sender richtigerweise Missstände, die sich – wieder einmal – im Umfeld Olympischer Spiele auftun.


Und immer wieder

Sind es dieselben Lieder

Die sich anfühlen

Als würde die Zeit stillstehen


So sehr ihr für euren Standpunkt eintretet, so sehr langweilt ihr mich. Was ich jetzt höre und lese, habe ich in abgeänderter, ähnlicher oder gleicher Form schon vor Jahrzehnten gehört. 1998, Nagano: weiße Elefanten und ein kaum genutzter Eiskanal, der seit wenigen Jahren verfällt. 2006, Torino: ungenutzter Eiskanal, ungenutzte Schanzen und Chancen. Anzahl der Weltcupspringen in Vancouver (2010), Sotschi (2014), Pyeongchang (2018): kaum erwähnenswert.


Bleiben wir provokant. Warum soll es in Mailand-Cortina 2026 anders und besser laufen als bisher? Nachhaltigkeit und Klimawandel sind ein größeres, wichtigeres Thema als vor 20 Jahren, als ich Venue Media Manager in Pragelato Plan war, und dennoch gleicht so vieles, was ich damals wie heute höre, nichts anderes als Feigenblättern, die über eigene oder fremde Unzulänglichkeiten gelegt werden.


Ich kenne den Ausrichtervertrag nicht, doch höchstwahrscheinlich gesteht das Internationale Olympische Komitee in diesem Papier Italien das Recht und die Pflicht zu, alle Wettbewerbe zu organisieren. Und warum sollte der Staat auf Zuruf (auch von außen) reagieren? Weil es nicht nachhaltig ist, für „35 Sportler:innen“ einen sauteuren Track zu bauen?! In Deutschland wird die Bahn in Königssee nach einer Naturkatastrophe für über 50 Millionen Euro saniert, in einem Land, in dem es weitere Eiskanäle in Altenberg, Winterberg, Oberhof gibt. Vielleicht habe ich die letzten Entwicklungen verpennt, doch mir ist nicht bekannt, dass es in Deutschland tausende oder zehntausende Bob- und Rodelfahrer:innen gibt.


Aber eigentlich ist mir dies eh egal. Lassen wir die Polemik. Ganz nüchtern formuliert: Würde die Bahn in Cortina nicht gebaut, dann sollte das Nationale Olympische Komitee Italiens Kunstbahnrodeln, Bob und Skeleton aus dem Programm der förderungswürdigen Sportarten nehmen nach dem Motto: brauchen wir nicht. Wenn es Sportlern und Sportlerinnen an Trainingsmöglichkeiten im eigenen Land fehlt, dann sind sie überall anders auf der Welt nur zu Gast und müssen nehmen, was übrigbleibt. Oder glaubt wirklich jemand ernsthaft, dass Österreicher oder Deutsche die besten Trainingszeiten auf ihren Anlagen für ernstzunehmende Konkurrenten aus anderen Ländern hergeben?


Die ARD und Felix Neureuther legen den Finger in Wunden, und sie tun gut daran, auf Defizite hinzuweisen. Vielleicht steckt auch eine zusätzliche Agenda dahinter, jene nämlich, die Zuschauer:innen zu sensibilisieren für eine deutsche Olympia-Kandidatur (für die alle Wettkampfstätten bereits vorhanden sind). Wie auch immer, Großveranstaltungen eignen sich eben wunderbar, um auf Naturschutz und Klimawandel, auf Menschenrechte und Konzentrationslager hinzuweisen. Die Organisatoren, wo auch immer diese sitzen, in China, Russland, Qatar, oder Italien, müssen – sarkastisch formuliert - die Welle der Krawalle nur aussitzen. Nach den Spielen, nach den Weltmeisterschaften, zieht die Karawane der Empörten ohnehin weiter.


Olympische Spiele, Winter wie Sommer, sind ein Mega-Business, sie verschlingen Milliarden und verändern nicht nur Landschaften, sondern auch Charaktere. Wer würde das eigene Heim nicht auch aufhübschen, wenn aufgrund eines Großevents die notwendigen ökonomischen Mittel zur Verfügung stünden?! Mit welchem Recht wird beanstandet, dass das Biathlonzentrum Antholz noch größer, noch professioneller, eventuell noch schöner gemacht wird? Wer erlaubt sich darüber zu urteilen? Weil es um Nachhaltigkeitsthemen, und zwar global, geht? Oh, bitte!


Und immer wieder Sind es dieselben Lieder Die sich anfühlen Als würde die Zeit stillstehen


Mir liegt Nachhaltigkeit am Herzen. Ich lebe sie in meinem Kleinen Tag für Tag, wo immer ich nur kann. Mein Gefühl sagt mir, dass ein neuer Eiskanal in Cortina sich nicht so richtig richtig anfühlte, doch mein Verstand fragt mich, ob die Karriere von „35 Sportlern und Sportlerinnen“ und all jener, die in deren Fußstapfen treten könnten, wirklich gegen die Wand gefahren werden soll.


Vielleicht wird die Bahn nicht zeitgerecht fertig, sehr wahrscheinlich wird sie viel teurer als budgetiert (nicht mein Geld, nicht mein Problem). Andere mögen anklagen und toben und wüten – viele von diesen hätten es selbst in der Hand, den Eiskanal obsolet zu machen: indem das Kunstbahnrodeln aus dem Olympischen Programm genommen und dafür das Naturbahnrodeln ausgetragen würde. Und Bob und Skeleton wandern entweder mit oder ins Museum.


Das wollen dann die internationalen Verbände doch nicht, und das Internationale Olympische Komitee fühlt sich in diesem Fall – ungleich zu anderen, ähnlich gelagerten Fällen – nicht bemüßigt, ein Machtwort zu sprechen. Der Moderne Fünfkampf musste sich neu erfinden und das Springreiten ersetzen, Ringen musste attraktiver werden, und beim Boxen, na gut: beim Boxen waren die Probleme schon andere und schwerwiegendere.


Die „Toten Hosen“ (von denen die kursiv gesetzten Song-Zeilen stammen) beschwören die Tage, an denen wir glaubten, wir hätten nichts zu verlieren. Diese Tage sind vorüber. Doch wenn ich heute über die Olympischen Winterspiele 2026 rede, wenn ich an sie denke, wenn ich von ihnen träume, dann läuft mir die Gänsehaut über den Rücken, dann freue ich mich heute schon wie ein kleines Kind auf diese Veranstaltung. Weil sie in Italien ist, weil sich der Kreis von Torino 2006 schließt. „Passion lives here” war der Claim damals, „Dreaming together“ ist jener in zwei Jahren.


Denn es geht nie vorüber

Dieses alte Fieber

Das immer dann hochkommt

Wenn wir zusammen sind.




Weiterlesen:


Egon Theiner, Durchhalten


Comments


Empfohlene Einträge
Aktuelle Einträge
Archiv
bottom of page